„Fléizen“ ist ein luxemburgisches Wort, das schon fast in Vergessenheit geraten ist. Es beschreibt die Bewässerung von Wiesen mit Hilfe von Gräben und Wehren. Bis in die Nachkriegszeit hinein wurden im Ösling Wiesen an der Our und Klerf mit Hilfe von Bewässerungssystemen bewässert, um die Heuernte zu steigern. Diese Methode wurde in vielen Teilen Mitteleuropas angewendet. Es gab Wässerwiesen in der Eifel, im Siegerland, im Saarland, in der Pfalz, am Oberrhein und im Schwarzwald. Die berühmtesten und eindrucksvollsten mitteleuropäischen Beispiele sind sicherlich die Bewässerungsanlagen in den inneralpinen Trockengebieten, z. B. die Waale im Vinschgau, um Meran in Südtirol oder die Suonen im Wallis in der Schweiz.
Mitte des 19. Jh. stiegen im Zuge der Industrialisierung die Bevölkerungszahlen und damit die Nachfrage nach Fleisch, Milch und Milchprodukten stark an. Folglich nahmen auch die Viehbestände zu. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn verbesserten sich zudem die Transportmöglichkeiten für landwirtschaftliche Produkte. Gleichzeitig konnte der Wald, im Ösling wahrscheinlich durch die Anlage von Lohhecken, nicht mehr im gleichen Umfang zur Futter- und Streugewinnung genutzt werden. Um das zusätzliche Vieh mit Futter zu versorgen, musste mehr Heu geerntet werden. Wiesen mussten intensiver als bisher bewirtschaftet werden. Da der Stalldünger dafür nicht ausreichte und Kunstdünger noch nicht verfügbar war, wurde die schon länger bekannte Technik des Fléizens zur Ertragsteigerung der Wiesen als Futterlieferant ausgebaut und erreichte anfangs des 20. Jh. ihren Höhepunkt.
Trotz der relativ hohen Niederschläge von bis zu 1.000 mm pro Jahr gibt es im Ösling keine großen Grundwasserreserven. Aus folgenden Gründen war eine Wiesenbewässerung deshalb sinnvoll:
- Die Schieferböden sind im Prinzip extrem verdichteter Ton, der nicht in der Lage ist, Wasser zu speichern.
- Die Bodendecke ist an vielen Stellen nicht sehr dick und daher als Wasserspeicher ungeeignet. Im Ösling deutet der vielerorts vorkommende Flurname „Plakech Lee“ (nackter Schiefer) darauf hin.
- Die ebenen Wiesen im Talboden bestehen zum großen Teil aus Schwemmland mit Sand und Kies, das im Sommer sehr schnell austrocknet. Deshalb war vor allem beim zweiten Schnitt im September der Heuertrag oft niedrig.
- Im August fällt im Ösling oft wenig Regen, so dass dieser Monat bei der Wiesenbewässerung eine große Rolle spielte.
Mit Hilfe des Fléizens konnte nicht nur die Qualität, sondern auch der Heuertrag gesteigert werden. Der Nutzen einer Wiesenbewässerung war sehr vielfältig:
- Düngung: Die Hauptbewässerungszeit ist der Herbst. Nach dem Abernten der Felder gelangte bei starken Regenfällen viel nährstoffreiches Feinmaterial in die Gewässer. Weitere Nährstoffe gelangten über die ungeklärten Abwässer aus den Siedlungen in die Bäche. Durch die Verrieselung auf den Wiesen konnten diese Nährstoffe als Dünger genutzt werden.
- Wasserversorgung: Durch die Bewässerung in trockenen Phasen im Frühjahr und vor allem im Sommer konnten die Wiesenpflanzen während des Wachstums vor dem Austrocknen bewahrt und optimal mit Wasser versorgt werden.
- Bodenwärme: Während der Schneeschmelze und bei Tauwetter konnten im frühen Frühjahr durch die Bewässerung Schnee und Eisreste auf den Wiesen entfernt und der Boden aufgetaut werden. Je nach Witterung konnte das Austreiben der Gräser und der erste Schnitt dadurch um bis zu zwei Wochen vorverlegt werden.
- Schädlingsbekämpfung: Vor allem durch die Herbstflutung wurden Mäuse, Maulwürfe und Engerlinge ertränkt, die als Schädlinge galten.
- Bodenpflege: Durch die geregelte Be- und Entwässerung wurde eine optimale Bodenfeuchte ohne anhaltende Staunässe und Trockenheit erreicht. Hierdurch wurden das Bodenleben und die Bodenbelüftung gefördert.
Alle Bewässerungswiesen wurden von Hand gemäht. Das Heu wurde von Hand zusammengerecht und aufgeladen. Dabei störten die Bewässerungskanäle nicht besonders. Das änderte sich in den 40er und 50er Jahren mit der Modernisierung der Landwirtschaft.
- Bei der Bewirtschaftung und der Heuernte mit Maschinen störten die Gräben. Sie wurden deshalb nach und nach zugeschüttet oder eingeebnet. Nur an den Grundstücksgrenzen blieben sie erhalten und sind dort auch heute noch an der Sumpfvegetation zu erkennen.
- In den schmalen Seitentälern waren die Wiesen außerdem oft zu schmal oder zu steil, um sie mit Maschinen zu bewirtschaften. Sie wurden deshalb häufig in Weiden umgewandelt oder aufgeforstet.
- Durch die Verfügbarkeit von Kunstdünger auf Wiesen konnte der Grasertrag auch ohne Bewässerung gesteigert werden.
Mit den Kanälen verloren die Wehre ihre Funktion. Sie wurden nicht mehr unterhalten. Die Holzkonstruktionen wurden größtenteils vom Hochwasser weggerissen oder abgerissen, um den Wasserdurchlauf bei Hochwasser nicht mehr zu behindern. Heute erinnern nur noch die Reste der Wehre und der Hauptbewässerungsgräben an das Fléizen.