Das Gradnetz der Erde

Das Gradnetz der Erde ist ein gedachtes, über die Erdkugel gezogenes, Liniennetz. Es besteht aus sich senkrecht schneidenden Breiten- und Längenkreisen und dient der Bestimmung der geographischen Lage und der Orientierung auf der Erde. Neben der geographischen Koordinaten (Breite und Länge) kann man sich auch durch die Beobachtung der Gestirne (astronomische Navigation) orientieren.

Gradnetz der Erde
Geschichte des Gradnetzes
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Die Idee für das Gradnetz geht weit zurück. Bereits 225 v Chr. in Alexandria/Ägypten glaubte der „Erfinder“ der Geographie Eratosthenes von Kyrene, dass die Erde eine Kugel ist, ebenso wie Aristoteles, 384 – 322 v. Chr., und Pythagoras, um 570 bis um 500 v. Chr. Mit den Eroberungen Alexanders des Großen war die Welt „größer“ geworden, man hatte neue Gebiete kennengelernt. Eratosthenes wollte dieses neue Wissen in einer Karte und einer Welt-Beschreibung zusammenfassen. Um nun die bekannte und bewohnte Welt („Ökumene“) von der Größe und der Lage her korrekt in die Karte einzeichnen zu können, musste er die Größe des Globus und die Position der Ökumene bestimmen können. Er war der Erste, der es daraufhin schaffte, die Größe unseres Planeten zu berechnen, jedoch wahrscheinlich mit einer Ungenauigkeit von etwa 10 %. Bei seiner Messung ging er von einem Meridian aus, der durch Alexandria und Assuan verläuft. Senkrecht dazu stand bei ihm ein Breitengrad auf der Höhe von Rhodos. Er konnte bereits die Höhe der Sonne über dem Horizont bestimmen und daraus die geografische Breite ableiten. Damit hatte er die Möglichkeit, die Ökumene relativ korrekt auf seiner Karte zu platzieren.

Diese Ansätze wurden von Hipparch von Nicäa (um 190 bis etwa 120 v.Chr.) weiter entwickelt. Er teilte als Erster den Kreis in 360° auf und wendete dies nicht nur in der Geometrie, sondern auch in der Astronomie (Himmelsglobus), der Vermessung und der Geographie an. Er konnte mit Hilfe seiner Messgeräte die Höhe der Sonne und damit den Breitengrad bereits ziemlich genau bestimmen. Seither liegt Enscherange auf 50° Nord. Sein Nullmeridian verlief allerdings durch seinen Beobachtungsstandort in Rhodos und damit weit östlich von uns.

Das änderte sich mit Claudius Ptolemäus (um 100 bis um 170 n. Chr.), dem dritten Wissenschaftler in dieser Reihe. Auch er arbeitete in Alexandria. Neben vielen anderen Werken verfasste er eine „Geographia“, in der er das Wissen über die bekannte Welt sammelte. Auf seinen Karten und bei der Positionsangabe von Städten usw. benutzte auch er ein Gradnetz. Er verlegte aber den Nullmeridian ans äußerste westliche Ende der damals bekannten Welt. Er verlief bei ihm durch El Hierro (oder Ferro), die westlichste Insel der Kanarischen Inseln. Dieser Ferro-Meridian wurde bis ins 20. Jh. hinein benutzt. Enscherange liegt etwa 23° östlich dieses Meridians. Seine Karten zeigen, dass auch er davon ausging, dass die Erde eine Kugel ist. Allerdings machte er einen folgenschweren Fehler bei der Größe der Erde. An Stelle der relativ genauen Angabe von Eratosthenes übernahm er den falschen, deutlich kleineren Wert von Poseidonios von etwa 30.000 km. Auf diese Zahl im Werk des Ptolemäus verließ sich dann über 1.300 Jahre später Kolumbus bei seiner Reise nach Westen. Er unterschätze deshalb die Entfernung von Europa nach Asien völlig und glaubte, in Asien gelandet zu sein. Ein anderer folgenschwerer Fehler des Ptolemäus betrifft das Weltbild. Obwohl bereits in der Antike ein heliozentrisches Weltbild (also mit der Sonne im Mittelpunkt des Sonnensystems) entwickelt wurde, hielt Ptolemäus am geozentrischen Weltbild fest und stellte die Erde in den Mittelpunkt des gesamten Universums.

Mit diesen drei griechischen Wissenschaftlern waren die Grundlagen für ein Gradnetz gelegt. Seither ging es neben der Verbesserung der Messverfahren nur noch um die Frage, wo der Nullmeridian verläuft. Arabische Geographen verlegten ihn an die Westspitze Afrikas und 1075 nach Bagdad. 1634 einigten sich die wichtigsten seefahrenden Nationen zunächst auf den Ferro-Meridian des Ptolemäus. Dennoch wurden weiterhin nationale Nullmeridiane benutzt. Am Ende hatte beinahe jedes europäische Land seinen eigenen Nullmeridian, der meist durch die Hauptstadt und deren Sternwarte verlief. Im 19. Jh. nahm dann aber der internationale Reiseverkehr sowohl auf dem Meer als auch – mit der Eisenbahn – auf dem Land enorm zu. Damit wurde ein einheitlicher Nullmeridian immer wichtiger. Man brauchte ihn nicht nur in der Geographie, Vermessung und Navigation, sondern auch als Grundlage für eine einheitliche Weltzeit und die Einteilung der Welt in Zeitzonen. Das war die Basis für internationale Fahrpläne.

1884 trafen sich in Washington Vertreter aus 25 Ländern zur internationalen Meridiankonferenz. Dort setzte sich schließlich mit dem Meridian von Greenwich der britische Nullmeridian durch, der in Großbritannien bereits seit 1734 benutzt wurde. Es war auch eine machtpolitische Entscheidung.

Dieser Meridian wurde 1885 in Deutschland und um 1900 in Frankreich übernommen. Interessanterweise blieben die Franzosen aber auch ihrem alten Pariser Meridian treu. Er taucht bis heute parallel in der französischen Kartographie auf. Auch in Österreich-Ungarn benutzte man bis 1918 den Ferro- und den Greenwich-Meridian parallel.

In der Vermessung und der Kartographie wurde der Greenwich-Meridian in Luxemburg eigentlich erst in den Jahren 1929 – 1933 übernommen. Damals wurde Luxemburg durch das belgische „Institut Géographique Militaire“ in das belgische (und damit europäische) Triangulationsnetz (Vermessungsnetz auf der Basis von Dreiecken) integriert. Nach dieser kleinen Zeitreise durch die Geschichte des Gradnetzes kann man also feststellen:

  • Der Schnittpunkt im Kiischpelt liegt seit Hipparch von Nicäa, also seit etwa 2.100 Jahren, auf 50° nördlicher Breite.
  • Beim Längengrad dagegen sieht es anders aus. Auf 6° östlicher Länge liegt dieser Punkt erst seit 272 Jahren (britische Karten) bzw. 73 Jahren (luxemburgische bzw. belgische Karten).
Längen und Breitengrade
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Mit den großen Entdeckungen fingen die Europäer an, auch auf die Ozeane hinaus zu segeln und sich weit vom Land zu entfernen. Dazu war die genaue Positionsbestimmung des Schiffes lebenswichtig. Man überzog die Erde mit einem Gitternetz. In diesem Netz konnte dann jeder Punkt genau bestimmt werden. Das Gradnetz der Erde war erfunden. Das Gradnetz setzt an den geografischen Polen, Nord- und Südpol, an.

Wenn man die Entfernung zwischen beiden Polen halbiert, ergibt sich automatisch der „Gürtel der Erde“, der Äquator. Er verläuft von Ost nach West und ist damit der erste Breitengrad, der „Null-Breitengrad“. Die anderen Breitengrade verlaufen genau parallel zum Äquator. Weil aber die Erde eine Kugel mit einem Umfang von 360° ist, wird der Abstand zwischen den Breitengraden nicht in Kilometern, sondern in Grad angegeben. Außerdem steht der Äquator senkrecht zur Erdachse. Damit ergibt sich vom Äquator aus bis zum Nordpol ein rechter Winkel, also 90°. Genauso ist es auf der Südhalbkugel. Daher wird die Breite vom Äquator aus nach Norden (= nördliche Breite) und nach Süden (= südliche Breite) gemessen.

Erde mit Breitengraden und Äquator

Wenn man nun die Pole mit einer Linie verbindet, dann steht diese Linie immer senkrecht zum Äquator. Der erste Längengrad (= Meridian) ist „geboren“. Weil der Äquator aber wieder ein Kreis ist, nimmt man auch hier eine Unterteilung in Grad vor. Damit ergeben sich insgesamt 360 Längengrade. Der Nullmeridian wurde im 19. Jh. auf den Meridian, der durch die Sternwarte von Greenwich/London verläuft festgelegt. Von dort aus zählt man 180° nach Osten (= östliche Länge) und 180° Westen (= westliche Länge), insgesamt 360°.

Erde mit Längengraden

Astronomische Navigation
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Heute ist die Positionsbestimmung auf der Erde sehr einfach. Ein Knopfdruck auf ein GPS-Gerät reicht aus. Die Position wird auf dem Display mit einer enormen Genauigkeit angegeben.

Früher hat man mit Hilfe von Sternen, der Sonne und einer genauen Uhr die Position bestimmt. Man spricht hierbei von der astronomischen Navigation. Der Sextant sieht höchst kompliziert aus, ist aber im Prinzip nichts anderes als ein Winkelmesser. Er misst den Winkel zwischen Horizont und einem Gestirn. Zur Navigation eignen sich Sonne, Mond, Planeten und knapp sechzig besonders helle Navigationssterne. Durch ein Sehrohr und ein Spiegelsystem lassen sich Horizont und Gestirn gleichzeitig anpeilen. Der Gradbogen am Sextanten zeigt den Winkel an. Von ihm hat der Sextant auch seinen Namen: Er zeigt genau ein Sechstel eines Kreises. Zur Positionsberechnung braucht es neben der Kenntnis der Berechnungsformeln noch die genaue Uhrzeit, das Datum und ein Nautisches Jahrbuch, das die Position der Gestirne zu bestimmten Zeiten auflistet. Noch heute haben viele Schiffe einen Sextanten an Bord, denn im Gegensatz zum GPS braucht er keine Batterien.

Ein Sextant wurde auf Schiffen für die Navigation eingesetzt.