Weiterführende Informationen und Links

Literatur

Werner Schnelle (2012): Mühlenbau – Wasserräder und Windmühlen bewahren und erhalten, Berlin, Wien, Zurich: Beuth Verlag.

Philipp Oppermann, Torsten Rüdinger (2012): Kleine Mühlenkunde, Potzdam/Berlin: Verlag Terra Press.

Wolfgang Kuhlmann (2012): Wasser, Wind und Muskelkraft, Petershagen-Frille: Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e.V.

Eugen Ernst (2005): Mühlen im Wandel der Zeit, Verlag Theiss

https://www.deutsche-muehlen.de

Rackésmillen – die letzte ihrer Art

Die älteste Wassermühle in Enscheringen stammt aus dem Jahr 1334 und ist damit die älteste noch bestehende Wassermühle in ganz Luxemburg. Bis 1954 mahlte die Rackésmillen Korn, das zur Brotherstellung diente. Das heutige Gebäude wurde 1824 errichtet. Die Rackésmillen ist bis heute voll funktionsfähig. Ein kleiner Wasserlauf treibt unverändert seit dem Jahre 1824 das knarrende Mahlwerk der Rackésmillen.

Die Rackésmillen ist bis heute funktionsfähig. © P. Haas
Geschichte der Mühle
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Die Rackésmillen war seit 1919 im Besitz der Familie Racké. Der letzte Müller, Herr Willy Racké, stellte kurz nach dem Tod seines Vaters 1968 den Kundenbetrieb ein. Die Familie verkaufte die Mühle nicht, sondern betrieb sie als Hobby. So hielt Willy Racké die Mühle weiterhin funktionsfähig und führte sie Freunden und Besuchern vor. Als er sich schließlich aus Altersgründen ernsthafte Gedanken über einen Verkauf machen musste, fand sich 2001 mit dem Naturerlebniszentrum „Robbesscheier“ ein Käufer, der bereits seit längerem an einer funktionstüchtigen Mühle zur Abrundung seines Programmangebotes für Touristen und Schulklassen interessiert war. Die Mühle ist weiterhin in Betrieb und kann besichtigt werden. Das Gebäude wurde renoviert, die Anlagen restauriert und erweitert.

Mühlentechnik
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In der Rackésmillen ist die Anlage von 1902 bzw. 1934 sowie der alte Mahlgang bis heute funktionstüchtig erhalten. Dazu gehören

  • das unterschlächtige Wasserrad,
  • die Transmissionen,
  • der Walzenstuhl,
  • der Elevator,
  • der Plansichter,
  • der Sackaufzug und
  • der alte Mahlgang.

Da sich die Technik beim Mahlgang seit der frühen Neuzeit nahezu gleich geblieben ist und sich auch am Prinzip der Walzenstühle wenig verändert hat, bietet diese Mühle einen Einblick in die Mühlentechnik der letzten 400 Jahre.

Das Wasserrad
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Die Rackésmillen wurde aufgrund des geringeren Gefälles wahrscheinlich schon immer von einem unterschlächtigen Wasserrad angetrieben. Das heutige Mühlrad besteht aus einem Grundgerüst aus Stahl, auf das Schaufeln aus Holz montiert sind. Um einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen, weisen sie einen Knick auf.

Unterschlächtiges Wasserrad in der Rackésmillen (http://www.our-explorer.lu/cms/images/big/00024.jpg)
Der Mahlgang
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Ein Mahlgang besteht aus zwei Mühlsteinen, die übereinander liegen. Der untere Stein („Bodenstein“, D) liegt fest, während sich der obere Stein („Läufer“, C) dreht. Beide Steine sind mit einer Holzverkleidung („Holzhütte“) verkleidet. Der Läufer wird vom Wasserrad über den Wellbaum (F), Treibstockräder (G und H) oder eine Transmission sowie das Mühleisen (E) angetrieben. Da die beiden Steine sich nicht direkt berühren und in den Läufer sogenannte Steinschärfen eingehauen sind, wird das Mahlgut zerschnitten und zerrieben. Das Mehl fällt seitlich aus dem Spalt zwischen den beiden Steinen heraus. Es gelangt über eine Mehlrutsche und verschiedene, grobe Siebe zu den Absackstutzen.

Mahlgang einer Mühle. Bodenstein=D, Läufer=C, Wellbaum=F, Treibstockräder=G,H, Mühleisen=E
Der Walzenstuhl
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Kern des Walzenstuhls sind zwei Walzen (A und B), die sich gegenläufig und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit drehen. Zwischen ihnen wird das Mahlgut gemahlen. Die kleinere Walze oben („Speisewalze“, c) sorgt für eine gleichmäßige Verteilung des Mahlgutes. Da der Walzenstuhl im 1. Stock aufgestellt ist und das Mahlgut von oben her zugeführt wird, war auch in der Rackésmillen ein Sackaufzug erforderlich, um das angelieferte Getreide nach oben und die fertigen Produkte wieder nach unten zu befördern. Äußerlich sichtbar ist das an dem kleinen Erker über der Eingangstür.

Walzenstuhl. Walzen=A, B; Speisewalze=C
Der Elevator
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Ein Elevator ist im Prinzip nichts anderes als ein Aufzug für das Mahlgut, das unten aus dem Walzenstuhl herauskommt und zum Sieben und für einen weiteren Mahlgang wieder nach oben befördert werden muss. Kern eines Elevators ist ein Endlosgurt, an dem Becher montiert sind. Sie nehmen das Mahlgut unten auf, befördern es nach oben und werfen es dort aus. Dieser Gurt ist von einem geschlossenen Gehäuse (Elevatorschacht) umgeben. Auch der Elevator der alten Anlage wird in der Rackésmillen über eine Transmission vom Wasserrad angetrieben.

Der Plansichter
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In der Rackésmillen hängt der Plansichter ganz oben unter dem Dach. Dabei handelt es sich um eine Art großen Kasten, der an Bambusstangen flexibel aufgehängt ist und über eine Transmission sowie einen Exenter in Schwingungen versetzt wird. Innen sind übereinander Siebe mit immer kleinerer Maschenweite montiert, über die sich kleine Bürsten bewegen, damit sie sich nicht zusetzen. So kann das Mahlgut, das im Walzenstuhl gemahlen und mit dem Elevator nach oben befördert wurde in seine verschieden großen Bestandteile getrennt werden. Die Schalenbestandteile und der Schrot werden aussortiert, die gröberen Mehlqualitäten und der Grieß können für einen weiteren Durchgang wieder dem Walzenstuhl zugeführt werden.

Der Sackaufzug
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Da der Walzenstuhl im 1. Stock aufgestellt ist und das Mahlgut von oben her zugeführt wird, war auch in der Rackésmillen ein Sackaufzug erforderlich, um das angelieferte Getreide nach oben und die fertigen Produkte wieder nach unten zu befördern. Äußerlich sichtbar ist der Sackaufzug an dem kleinen Erker hoch über der Eingangstür.

Sackaufzug am Erker in der Rackésmillen.

Funktions- und Bauweise

Die traditionelle Wassermühle wurde von Wasserrädern angetrieben, die auch bei stark schwankenden Wasserständen laufen konnten, ohne ihren Wirkungsgrad herabzusetzen. Dies kam den Gegebenheiten im Ösling sehr entgegen, da aufgrund der Geologie der Wasserstand der Fließgewässer beträchtlich schwankt.

Bestandteile einer Wassermühle
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Eine Wassermühle besteht aus drei Teilen:

  1. Wasserbauwerk zur Führung und Speicherung des Wassers:
    Hierzu zählt das Wehr, der Mühlbach und/oder -teich mit entsprechenden Stau bzw. Durchlassvorrichtungen. Oft stehen die Mühlen nicht direkt am Ufer. Ein Querbauwerk, auch Wehr genannt, staut das Wasser auf und leitet es dann durch den Mühlbach oder -graben zu dem Mühlrad.
  2. Antrieb
    Dieser bestand früher fast immer aus dem Wasserrad. Im Laufe der Zeit wurden diese Wasserräder jedoch oft durch Turbinen ersetzt. Viele ehemalige Wassermühlen wurden zum Wasserkraftwerk.
  3. Produktionsanlage
    Mühle mit den Mahlwerken. In dieser Anlage wird entweder gemahlen/zerkleinert (z.B. Getreidemühle) oder die Wasserkraft wird genutzt, um andere Arbeitsmaschinen anzutreiben (z.B. Schmiede, Säge, Hämmer…).
Beispiel der Funktionsweise einer Wassermühle
Verschiedene Wasserräder
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Mit Hilfe des Flusswassers werden die unteren Schaufeln des Wasserrades in Bewegung gesetzt (unterschlächtiges Wasserradprinzip) oder das Wasser fließt von oben herein (oberschlächtiges Wasserradprinzip) und setzt das Wasserrad in Bewegung.

Oberschlächtiges und unterschlächtiges Wasserrad im Vergleich

Oberschlächtiges Wasserrad

Vom Mühlbach aus wird das Wasser über ein Gerinne aus Holz oder Metall von oben her auf das Mühlrad geleitet, das dadurch von der Gewichtskraft des Wassers und nicht von der Strömung – angetrieben wird. Solche Mühlräder werden meist bei einem Gefälle zwischen 3 und 6 m sowie einer Wassermenge von 0,1 bis 0,5 m³/s eingesetzt. Sie können einen Wirkungsgrad von über 80 % erreichen.

Schema eines oberschlächtigen Wasserrads

Unterschlächtiges Wasserrad

Bei einem solchen Mühlrad fließt das Wasser unter dem Rad durch. Das Rad wird über die Schaufeln allein durch die Strömung angetrieben. Damit kann ein Wirkungsgrad von über 70 % erzielt werden.

Schema eines unterschlächtigen Wasserrads

Wasserkraft – Mühlen

Dass das Wasser gewaltige Kräfte besitzt wussten bereits die Römer, die schon im 3.Jh. v. Chr. mit Hilfe des Wassers Mühlräder angetrieben haben. Auch im Ösling hat die Nutzung der Wasserkraft eine lange Tradition. Entlang der Flüsse entstanden zahlreiche Mühlen, Stauwehre und Mühlgräben wurden angelegt. Die Mühlen dienten dem Mahlen von Getreide, als Walkmühlen für Textilien, zum Betreiben von Sägen oder als Lohmühle zum Zerkleinern der Eichenrinde. Nahezu alle Mühlen sind dem industriellen Fortschritt gewichen.

Bannmühlen der Mittelalters
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Die ältesten bekannten Belege über eine Mühle im Kiischpelt aus dem Jahr 1334 betreffen die „Rackésmillen“ in Enscherange. Weitere Mühlen waren die Lellinger, die Schuttburger, die Kautenbacher und die Merkholtzer Mühle. All diese Mühlen waren so genannte „Bannmühlen“.

Die Bannmühlen gehen auf ein Gesetz Kaiser Friedrich Barbarossas aus dem Jahr 1154 zurück. Sie waren seit dem Hochmittelalter ein wichtiges Element im Feudalsystem. Dieses Bannrecht brachte für die Müller, vor allem aber für die abhängigen Bauern, eine starke Einschränkung ihrer Freiheiten mit sich. Da Wasser und Wind den adligen Grundherren „gehörten“, hatten sie auch das alleinige Recht, Mühlen zu errichten und zu unterhalten. Bannmühlen waren demnach im Besitz der Grundherren, die sie an den jeweiligen Müller verpachteten. Für die von der Herrschaft abhängigen Bauern in den umliegenden Dörfern existierte ein strenger Mühlenzwang. Sie mussten ihr Getreide dort mahlen lassen und darüber hinaus auch „apperen“, d.h. sich an Unterhalts- und Bauarbeiten der den Bannmühlen beteiligen. Dies sicherte sowohl den Grundherren als auch den Müllern feste Einkünfte. Bei einem künstlich erhöhten Mahlpreis bedeutete dies sogar zusätzliche Einnahmen zu Lasten der Bauern. Allerdings durften die Müller auch nur für diese Bauern mahlen. Es war ihnen streng verboten, anderen Mühlen Kunden abzuwerben. Dies dürfte vor allem für die Bauern besonders problematisch gewesen sein, da sie sowohl beim Preis als auch in Bezug auf die Qualität ihres Brotgetreides völlig von einem einzigen Müller abhängig waren.

Ende der Feudalzeit
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Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen im Jahr 1795 fand das Feudalsystem in Luxemburg sein Ende. Die Bauern erhielten ihre Freiheit und eigenes Land. Die Gewerbefreiheit wurde eingeführt und damit die Loslösung der Mühlen von den Grundherren. Spätestens 1824, in dem Jahr, in dem das luxemburgische Urkataster erstellt wurde, waren alle Mühlen in Privatbesitz. Die alte Kautenbacher Mühle am linken Ufer der Wiltz wurde um 1800 aufgegeben. Stattdessen errichtete die Familie Kneip die Kneipmühle an der Wiltz oberhalb des Dorfes. Wahrscheinlich entstanden etwa zur gleichen Zeit die Sägemühle in Wilwerwiltz sowie die Lohmühlen in Wilwerwiltz und Enscherange. Die Müller waren jetzt die Besitzer der Mühlen, sie arbeiteten als selbstständige Unternehmer auf eigene Rechnung und standen damit in einer direkten Konkurrenz untereinander. Die häufigen Besitzwechsel im 19. und 20. Jh. zeigen, dass dies für die meisten Müller aber kein gesichertes Auskommen oder gar Reichtum, sondern vielmehr einen ständigen Kampf um die wirtschaftliche Existenz bedeutete.

Vor etwa 100 Jahren gab es neun Mühlen im Kiischpelt:

  • Frères Millen (oberhalb von Enscherange)
  • Rackésmillen (Enscherange)
  • Lohmühle (Enscherange)
  • Lohmühle (Wilwerwiltz)
  • Sägemühle (Wilwerwiltz)
  • Lellinger Mühle
  • Schuttburger Mühle
  • Kneipmillen (Kautenbach)
  • Merkholtzer Mühle
Modernisierungswelle
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Mit dem Ende der Feudalzeit wurden die Bauern unabhängig und konnten sich ihre Mühle bzw. den Müller selbst aussuchen. Daraufhin wurden die Mühlen manchmal erweitert, quasi multifunktional gemacht. So konnte nicht nur Mehl gemahlen, sondern auch Holz gesägt oder Leder gewalkt werden. Die steigende Produktion in der Landwirtschaft, die größere Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln, neue technische Entwicklungen wie z.B. die Erfindung der Elevatoren, sowie der zunehmende Konkurrenzdruck und der Zwang zur Rationalisierung lösten Ende des 19. Jh./Anfang des 20. Jh. eine regelrechte Modernisierungswelle in den Mühlen aus. So erhielt die Schuttburger Mühle 1888 eine komplette neue Einrichtung mit einem oberschlächtigen Antrieb und zwei Mahlgängen. In der Folgezeit nahm anscheinend der Modernisierungsdruck und damit auch der Investitions- und Kapitalbedarf entscheidend zu. Neben der „Frèresmillen“ (1930) konnten sich nur die „Rackésmillen“ (1902, 1934) und die „Kneipmillen“ (1922, 1927) die erforderlichen Investitionen wie z. B. ein neues Mühlengebäude oder eine komplett neue Anlage mit neuen Mühlrädern bzw. Turbinen, Walzenstühlen, Elevatoren, Plansichtern, Sackaufzug usw. leisten.

In der „Rackésmillen“ ist diese Anlage von 1902 bzw. 1934 (Wasserrad und Transmissionen, Walzenstuhl, Elevator, Plansichter sowie der Sackaufzug), daneben aber auch der alte Mahlgang, bis heute funktionstüchtig erhalten.

Niedergang
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Ab dem 20. Jh. wurden im Zuge des Fortschritts viele Mühlen aufgegeben und nur wenige wurden anderen Nutzungszwecken zugeführt. Neben dem zunehmenden Konkurrenzdruck durch die großen, modernen Mühlen haben die Umstellung der Lebensgewohnheiten (die Menschen buken ihr Brot nicht mehr selbst) sowie die Mechanisierung in der Landwirtschaft zum Mühlensterben beigetragen. Die Einführung der Mähdrescher führte beispielsweise dazu, dass das Getreide nicht mehr sackweise abgefüllt, sondern vom Mähdrescher lose auf Anhänger verladen wurde und zum großen Teil direkt vom Feld in die Silos des Getreidehandels gelangte. Damit kamen die kleinen Mühlen, die für die Anlieferung des Getreides in Säcken eingerichtet waren, als Abnehmer nicht mehr in Frage. Die Bauern lagerten nur noch so viel Getreide ein, wie sie als Futter für ihr Vieh brauchten. Als sich die Bauern dann nach und nach auch noch elektrische Schrotmühlen anschafften, wurden die Mühlen endgültig überflüssig. Diese Entwicklung konnte auch im Kiischpelt beobachtet werden:

  • Die Lellinger Mühle stellte um 1910 und die Schuttburger Mühle spätestens 1918 ihren Kundenbetrieb ein.
  • Einige Mühlen erhielten in der Folgezeit Francisturbinen und einen Dynamo zur Stromerzeugung. Mit dem Strom aus der Lellinger Mühle wurden in Wilwerwiltz bis etwa 1930 ein elektrisch betriebenes Sägewerk sowie eine Reihe von Haushalten mit elektrischem Strom versorgt. In der Schuttburger Mühle wird bis heute mit einer Kaplanturbine aus dem Jahr 1978 Strom für den Eigenbedarf produziert.
  • Bereits 1933 stellte auch die Kneipmühle den Kundenbetrieb ein und konzentrierte sich bis 1968 auf den Handel mit Getreide, Futtermitteln und Dünger.
  • Nach dem zweiten Weltkrieg stellten auch die letzten drei Kiischpelter Mühlen (Merkholtzer Mühle (nach 1945), Frèresmillen (1947) und Rackésmillen (1954)) die Produktion von Brotmehl ein. Die Frèresmillen und die Rackésmillen produzierten bzw. verkauften noch bis 1968 Futtermittel.