Das Gradnetz der Erde

Das Gradnetz der Erde ist ein gedachtes, über die Erdkugel gezogenes, Liniennetz. Es besteht aus sich senkrecht schneidenden Breiten- und Längenkreisen und dient der Bestimmung der geographischen Lage und der Orientierung auf der Erde. Neben der geographischen Koordinaten (Breite und Länge) kann man sich auch durch die Beobachtung der Gestirne (astronomische Navigation) orientieren.

Gradnetz der Erde
Geschichte des Gradnetzes
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Die Idee für das Gradnetz geht weit zurück. Bereits 225 v Chr. in Alexandria/Ägypten glaubte der „Erfinder“ der Geographie Eratosthenes von Kyrene, dass die Erde eine Kugel ist, ebenso wie Aristoteles, 384 – 322 v. Chr., und Pythagoras, um 570 bis um 500 v. Chr. Mit den Eroberungen Alexanders des Großen war die Welt „größer“ geworden, man hatte neue Gebiete kennengelernt. Eratosthenes wollte dieses neue Wissen in einer Karte und einer Welt-Beschreibung zusammenfassen. Um nun die bekannte und bewohnte Welt („Ökumene“) von der Größe und der Lage her korrekt in die Karte einzeichnen zu können, musste er die Größe des Globus und die Position der Ökumene bestimmen können. Er war der Erste, der es daraufhin schaffte, die Größe unseres Planeten zu berechnen, jedoch wahrscheinlich mit einer Ungenauigkeit von etwa 10 %. Bei seiner Messung ging er von einem Meridian aus, der durch Alexandria und Assuan verläuft. Senkrecht dazu stand bei ihm ein Breitengrad auf der Höhe von Rhodos. Er konnte bereits die Höhe der Sonne über dem Horizont bestimmen und daraus die geografische Breite ableiten. Damit hatte er die Möglichkeit, die Ökumene relativ korrekt auf seiner Karte zu platzieren.

Diese Ansätze wurden von Hipparch von Nicäa (um 190 bis etwa 120 v.Chr.) weiter entwickelt. Er teilte als Erster den Kreis in 360° auf und wendete dies nicht nur in der Geometrie, sondern auch in der Astronomie (Himmelsglobus), der Vermessung und der Geographie an. Er konnte mit Hilfe seiner Messgeräte die Höhe der Sonne und damit den Breitengrad bereits ziemlich genau bestimmen. Seither liegt Enscherange auf 50° Nord. Sein Nullmeridian verlief allerdings durch seinen Beobachtungsstandort in Rhodos und damit weit östlich von uns.

Das änderte sich mit Claudius Ptolemäus (um 100 bis um 170 n. Chr.), dem dritten Wissenschaftler in dieser Reihe. Auch er arbeitete in Alexandria. Neben vielen anderen Werken verfasste er eine „Geographia“, in der er das Wissen über die bekannte Welt sammelte. Auf seinen Karten und bei der Positionsangabe von Städten usw. benutzte auch er ein Gradnetz. Er verlegte aber den Nullmeridian ans äußerste westliche Ende der damals bekannten Welt. Er verlief bei ihm durch El Hierro (oder Ferro), die westlichste Insel der Kanarischen Inseln. Dieser Ferro-Meridian wurde bis ins 20. Jh. hinein benutzt. Enscherange liegt etwa 23° östlich dieses Meridians. Seine Karten zeigen, dass auch er davon ausging, dass die Erde eine Kugel ist. Allerdings machte er einen folgenschweren Fehler bei der Größe der Erde. An Stelle der relativ genauen Angabe von Eratosthenes übernahm er den falschen, deutlich kleineren Wert von Poseidonios von etwa 30.000 km. Auf diese Zahl im Werk des Ptolemäus verließ sich dann über 1.300 Jahre später Kolumbus bei seiner Reise nach Westen. Er unterschätze deshalb die Entfernung von Europa nach Asien völlig und glaubte, in Asien gelandet zu sein. Ein anderer folgenschwerer Fehler des Ptolemäus betrifft das Weltbild. Obwohl bereits in der Antike ein heliozentrisches Weltbild (also mit der Sonne im Mittelpunkt des Sonnensystems) entwickelt wurde, hielt Ptolemäus am geozentrischen Weltbild fest und stellte die Erde in den Mittelpunkt des gesamten Universums.

Mit diesen drei griechischen Wissenschaftlern waren die Grundlagen für ein Gradnetz gelegt. Seither ging es neben der Verbesserung der Messverfahren nur noch um die Frage, wo der Nullmeridian verläuft. Arabische Geographen verlegten ihn an die Westspitze Afrikas und 1075 nach Bagdad. 1634 einigten sich die wichtigsten seefahrenden Nationen zunächst auf den Ferro-Meridian des Ptolemäus. Dennoch wurden weiterhin nationale Nullmeridiane benutzt. Am Ende hatte beinahe jedes europäische Land seinen eigenen Nullmeridian, der meist durch die Hauptstadt und deren Sternwarte verlief. Im 19. Jh. nahm dann aber der internationale Reiseverkehr sowohl auf dem Meer als auch – mit der Eisenbahn – auf dem Land enorm zu. Damit wurde ein einheitlicher Nullmeridian immer wichtiger. Man brauchte ihn nicht nur in der Geographie, Vermessung und Navigation, sondern auch als Grundlage für eine einheitliche Weltzeit und die Einteilung der Welt in Zeitzonen. Das war die Basis für internationale Fahrpläne.

1884 trafen sich in Washington Vertreter aus 25 Ländern zur internationalen Meridiankonferenz. Dort setzte sich schließlich mit dem Meridian von Greenwich der britische Nullmeridian durch, der in Großbritannien bereits seit 1734 benutzt wurde. Es war auch eine machtpolitische Entscheidung.

Dieser Meridian wurde 1885 in Deutschland und um 1900 in Frankreich übernommen. Interessanterweise blieben die Franzosen aber auch ihrem alten Pariser Meridian treu. Er taucht bis heute parallel in der französischen Kartographie auf. Auch in Österreich-Ungarn benutzte man bis 1918 den Ferro- und den Greenwich-Meridian parallel.

In der Vermessung und der Kartographie wurde der Greenwich-Meridian in Luxemburg eigentlich erst in den Jahren 1929 – 1933 übernommen. Damals wurde Luxemburg durch das belgische „Institut Géographique Militaire“ in das belgische (und damit europäische) Triangulationsnetz (Vermessungsnetz auf der Basis von Dreiecken) integriert. Nach dieser kleinen Zeitreise durch die Geschichte des Gradnetzes kann man also feststellen:

  • Der Schnittpunkt im Kiischpelt liegt seit Hipparch von Nicäa, also seit etwa 2.100 Jahren, auf 50° nördlicher Breite.
  • Beim Längengrad dagegen sieht es anders aus. Auf 6° östlicher Länge liegt dieser Punkt erst seit 272 Jahren (britische Karten) bzw. 73 Jahren (luxemburgische bzw. belgische Karten).
Längen und Breitengrade
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Mit den großen Entdeckungen fingen die Europäer an, auch auf die Ozeane hinaus zu segeln und sich weit vom Land zu entfernen. Dazu war die genaue Positionsbestimmung des Schiffes lebenswichtig. Man überzog die Erde mit einem Gitternetz. In diesem Netz konnte dann jeder Punkt genau bestimmt werden. Das Gradnetz der Erde war erfunden. Das Gradnetz setzt an den geografischen Polen, Nord- und Südpol, an.

Wenn man die Entfernung zwischen beiden Polen halbiert, ergibt sich automatisch der „Gürtel der Erde“, der Äquator. Er verläuft von Ost nach West und ist damit der erste Breitengrad, der „Null-Breitengrad“. Die anderen Breitengrade verlaufen genau parallel zum Äquator. Weil aber die Erde eine Kugel mit einem Umfang von 360° ist, wird der Abstand zwischen den Breitengraden nicht in Kilometern, sondern in Grad angegeben. Außerdem steht der Äquator senkrecht zur Erdachse. Damit ergibt sich vom Äquator aus bis zum Nordpol ein rechter Winkel, also 90°. Genauso ist es auf der Südhalbkugel. Daher wird die Breite vom Äquator aus nach Norden (= nördliche Breite) und nach Süden (= südliche Breite) gemessen.

Erde mit Breitengraden und Äquator

Wenn man nun die Pole mit einer Linie verbindet, dann steht diese Linie immer senkrecht zum Äquator. Der erste Längengrad (= Meridian) ist „geboren“. Weil der Äquator aber wieder ein Kreis ist, nimmt man auch hier eine Unterteilung in Grad vor. Damit ergeben sich insgesamt 360 Längengrade. Der Nullmeridian wurde im 19. Jh. auf den Meridian, der durch die Sternwarte von Greenwich/London verläuft festgelegt. Von dort aus zählt man 180° nach Osten (= östliche Länge) und 180° Westen (= westliche Länge), insgesamt 360°.

Erde mit Längengraden

Astronomische Navigation
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Heute ist die Positionsbestimmung auf der Erde sehr einfach. Ein Knopfdruck auf ein GPS-Gerät reicht aus. Die Position wird auf dem Display mit einer enormen Genauigkeit angegeben.

Früher hat man mit Hilfe von Sternen, der Sonne und einer genauen Uhr die Position bestimmt. Man spricht hierbei von der astronomischen Navigation. Der Sextant sieht höchst kompliziert aus, ist aber im Prinzip nichts anderes als ein Winkelmesser. Er misst den Winkel zwischen Horizont und einem Gestirn. Zur Navigation eignen sich Sonne, Mond, Planeten und knapp sechzig besonders helle Navigationssterne. Durch ein Sehrohr und ein Spiegelsystem lassen sich Horizont und Gestirn gleichzeitig anpeilen. Der Gradbogen am Sextanten zeigt den Winkel an. Von ihm hat der Sextant auch seinen Namen: Er zeigt genau ein Sechstel eines Kreises. Zur Positionsberechnung braucht es neben der Kenntnis der Berechnungsformeln noch die genaue Uhrzeit, das Datum und ein Nautisches Jahrbuch, das die Position der Gestirne zu bestimmten Zeiten auflistet. Noch heute haben viele Schiffe einen Sextanten an Bord, denn im Gegensatz zum GPS braucht er keine Batterien.

Ein Sextant wurde auf Schiffen für die Navigation eingesetzt.

Bei 50° N und 6° E

In der Gemeinde Kiischpelt, unweit des Dorfes Enscheringen befindet sich mit 50°N-6°E der einzige Schnittpunkt zwischen einem Breiten- und einem Längengrad im Großherzogtum Luxemburg. An diesem Schnittpunkt befindet sich der „Kiischpelter Sonnenkreis“ 50° N und 6° E. Das bedeutet 50° nördlich des Äquators und 6° östlich von Greenwich (Nullmeridian).

Kiischpelter Sonnenkreis
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Der Kiischpelter Sonnenkreis befindet sich genau bei 50° N und 6° E. Hier können eine Reihe von eigenen Beobachtungen und Messungen gemacht werden (siehe pdf als Download).

  1. Himmelsrichtungen bestimmen
  2. Uhrzeit bestimmen
  3. Sonnenstände messen
  4. Horizonztwinkel ermitteln
  5. Astronomische Positionsbestimmung
Kiischpelter Sonnenkreis

Anleitung für Beobachtungen am Kiischpelter Sonnenkreis

1. Himmelsrichtung bestimmen

Das Zentrum des Kreises symbolisiert den Schnittpunkt von 50°N und 6°E. Das Kreuz markiert die vier wichtigsten Himmelsrichtungen E (= Osten), S(=Süden), W(=Westen) und N(=Norden).

Der grau-rote Balken zeigt dabei nach Norden. Die acht Holzpfosten markieren neben den vier wichtigsten Himmelsrichtungen die vier „Zwischenhimmelsrichtungen“ NE, SE, SW und NW.

2. Uhrzeit bestimmen

Die Uhrzeit lässt sich mit Hilfe der Sonnenuhr ablesen. Allerdings handelt es sich dabei um die so genannte „wahre Ortszeit“. Wenn man die „normale“ Uhrzeit, also MEZ (Mitteleuropäische Zeit) oder MESZ (Mitteleuropäische Sommer Zeit), ablesen will, muss man verschiedene Dinge berücksichtigen:

  • Die Sonnenuhr zeigt immer die Mitteleuropäische Zeit an, im Sommer muss man also eine Stunde „zurückdrehen“.
  • Die Sonnenuhr befindet sich bei 6° E, unsere Uhren gehen aber nach 15° E (=MEZ). Im Vergleich zur Armbanduhr geht die Sonnenuhr immer 36 Minuten nach, also: 12:00 h Sonnenuhr = 12:36 h MEZ.
  • Der Schatten fällt nicht jeden Tag zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung. Man muss auch die Zeitgleichung berücksichtigen (siehe Diagramm).
Das Diagramm zeigt die Abweichung der wahren Sonnenzeit von der mittleren Sonnenzeit.

3. Sonnenstände messen

Die Himmelsrichtungen markieren in etwa den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang zu Beginn der Jahreszeiten:

Sommeranfang, 21.06.:

Sonnenaufgang etwa NE (genauer: 50°)
Sonnenuntergang etwa NW (genauer: 310°)

Frühlingsanfang, 21.03., und Herbstanfang, 23.09.:

Sonnenaufgang genau im E
Sonnenuntergang genau im W

Winteranfang, 21.12.:

Sonnenaufgang etwa SE (genauer: 130°),
Sonnenuntergang etwa SW (genauer: 230°)

Das Diagramm zeigt die Himmelsrichtung von Sonnenauf- und Sonnenuntergang.

4. Horizontwinkel ermitteln

Im Sommer steht die Sonne höher am Himmel als im Winter. Besonders deutlich merkt man das um die Mittagszeit, wenn die Sonne ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht. Diese Mittagshöhe wird in Grad gemessen und wird als Horizontwinkel bezeichnet. Um den Horizontwinkel zu bestimmen benötigt man den Mittelstab des Sonnenkreises und ein Maßband. Der Horizontwinkel wird dann gemessen, wenn die Sonne genau im Süden steht. Im Sonnenkreis fällt dann der Schatten des Mittelstabes nach Norden, also genau auf die grau-rote Pflasterreihe. Das ist etwa um 12.36 h MEZ bzw. 13.36 h MESZ (mit einer Abweichung von +/- 15 Minuten). Wenn man nun von der Seite schaut, ergibt sich zwischen der Ebene des Sonnenkreises, dem Endpunkt des Schattens und der Kugel an der Spitze ein Winkel. Er entspricht genau dem Winkel, in dem die Sonne über dem Horizont steht. Dieser Winkel kann bestimmt werden, indem man die Schattenlänge misst und den Wert des Winkels in der Tabelle nachschaut. Zwischenwerte müssen geschätzt werden.

SchattenlängeHorizontwinkel
47,5 cm65°
59,0 cm60°
71,5 cm55°
85,5 cm50°
102,0 cm45°
121,5 cm40°
145,5 cm35°
176,5 cm30°
Die Tabelle zeigt die Schattenlänge mit ihrem dazugehörigen Horizontwinkel am Kiischpelter Sonnenkreis zur Mittagszeit.

Ab einen Horizontwinkel von 26° fällt der Schatten der Kugel auf den Pfosten im Norden. Dann muss der Abstand des Kugelschattens (Mitte des Schattens) vom Boden gemessen werden. Dabei ergeben sich die folgenden Werte:

HöheHorizontwinkel
4,5 cm25°
26,0 cm20°
46,0 cm15°
Die Tabelle zeigt die Schattenhöhe der Kugel mit ihrem dazugehörigen Horizontwinkel am Kiischpelter Sonnenkreis zur Mittagszeit.

5. Astronomische Postionsbestimmung

  • Geografische Breite

Die Formel für die Bestimmung der geographischen Breite lautet:

Geographische Breite = 90° – Horizontwinkel (h) + Deklination

Beispiel: der 21. März

Am 21. März steht die Sonne senkrecht über dem Äquator, man sagt dann: Die Deklination der Sonne beträgt an diesem Tag 0° (siehe Diagramm). Der Horizontwinkel beträgt für den 21. März 40°.

In die Formel eingesetzt ergibt sich: Geographische Breite = 90° – 40° (Horizontwinkel) + 0° (Deklination) = 50°

Da die Sonne ihren höchsten Stand im Süden erreicht, liegt dieser Standort auf der Nordhalbkugel. Man befindet sich also auf 50° nördlicher Breite.

Darstellung der Deklination zur Berechnung der Geographischen Breite.
  • Geografische Länge

An vier Tagen im Jahr ist es ziemlich einfach, die Länge selbst zu bestimmen: 16.04., 14.06., 02.09. und 26.12. Die Sonne steht an diesen Tagen um 12.00 h Ortszeit genau im S. Dann zeigt ihre Uhr hier 12.36 h MEZ. In Greenwich ist es aber erst 11.36 h GMT (Greenwich Mean Time). Hier ist es demnach 24 Minuten früher Mittag als in Greenwich. Die Erde dreht sich in 24 Stunden einmal um sich selbst. Das sind 360°. Demnach dreht sich die Erde in einer Stunde um 15° (360 : 24) und in 4 Minuten um 1° (60 Minuten : 15°)  Ein Längengrad entspricht damit einem Zeitunterschied von 4 Minuten. Aus dem Zeitunterschied von 6 x 4 = 24 Minuten vor dem Nullmeridian von Greenwich ergibt sich die geographische Länge von 6° östlich von Greenwich. An allen anderen Tagen muss die so genannte Zeitgleichung berücksichtigt werden. Manchmal steht die Sonne etwas früher genau im Süden, manchmal etwas später. Diesen Zeitunterschied kann man im Diagramm ablesen.

Sonnenstände
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Die Diagramme geben wichtige Sonnenstände für unsere Position – also für 50°N und 6°E – im Verlauf eines Jahres an:

  • Uhrzeiten für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang
  • Himmelsrichtung (in Grad) Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs
  • Höhe der Sonne über dem Horizont (in Grad) um 12.00 Uhr wahre Ortszeit
  • die Deklination

Sonnendaten
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Hier werden noch Inhalte eingefügt.

Weiterführende Informationen und Links

Literatur

Nicolas Bosseler (1978): Kautenbach, Merkholtz, Alscheid, der Kohnerhof und die Schüttburg auf ihrem schicksalhaften Weg durch die Jahrhunderte. Hrsg. von der Gemeindeverwaltung Kautenbach. Luxemburg, Sankt-Paulus-Druckerei. 358 p

Peter Keiser (1937): Die Geschlechter von der Schüttburg: ein Beitrag zur Heimatkunde. [Hrsg. Tony Kellen] Wiltz: Verl. der Ardenner Zeitung. 88 S

Paul Lamort (2004): Histoire de la terre et de la seigneurie de Schutbourg [Reprint de l’édition originale de 1896] Differdange: Fernand Feltgen. 92 p

Joseph Hoffmann (1984): Die Schüttburg unweit Kautenbach. pp. 42–44 in: Inauguration du drapeau et journée cantonale / Corps des sapeurs-pompiers de la commune de Kautenbach. Wiltz.

Zimmer, John (1996): Die Burgen des Luxemburger Landes. 3 Bde. – Luxemburg

Mitmachen und Ausprobieren

Hier werden bald mehr Inhalte zur Verfügung gestellt.

Basteln – Die Schüttburg im Modell
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Vereinfachtes Modell ohne den südöstlichen Teil der Burg.
Anleitung

Tipp: Bastelbögen am besten auf kräftigem Papier (ca. 160 g/m²) ausdrucken oder aufkleben.

  • Palas zusammensetzen (das Dach muss auf der linken Seite bündig mit dem Giebel abschließen)
  • Turm 1 und Tor 2 zusammenbauen und an den Palas ansetzen
  • Turm 2 und Turm 3 aufeinandersetzen und an den linken Giebel kleben
  • Vorhof ansetzen
  • Mauer 1 und Mauer 2 ansetzenTor 1 zusammenbauen und ansetzen (zwischen Mauer 1 und Mauer 2 über das rechte Ende des Vorhofes)
  • Turm 4 zusammenbauen und ansetzen (zwischen Tor 1 und Mauer 1)
  • Zum Abschluss die Brustwehren ankleben (das Stück für Turm 3 ist abgemessen, die übrigen können nach eigenem Geschmack angesetzt werden).

Die Schüttburg im Renert

Der Renert oder de Fuuss am Frack an a Maansgréisst (kompletter Text) von Michel Rodange erschien erstmals 1872 und ist so etwas wie das luxemburgische Nationalepos. Er basiert auf dem Reineke Fuchs von J. W. von Goethe. Rodange hat daraus ein Epos mit 14 Gesängen und 6052 Versen gemacht. Es ist einerseits eine Homage an die Landschaften und Regionen Luxemburgs, andererseits aber auch ein Spottgedicht über die damalige luxemburgische Gesellschaft.

De Wollef war beim Kinnek,
D’Fra Gormang war eleng,
De Fuuss geet an hir Wunnecht
A fënnt doheem hir Kleng. Wéi ass et dann, dir Krotten?
Sot Renert, wéi e koum,
Wou ass dann iere Vueder,
Wou ass séng uersche Moum? Du spréngt aus engem Wénkel
Hir Mamm op Renert lass:
De Fiissche musst entsprangen,
Si huet sech nogeflass.
Om ale Schlass zu Schibreg
Do wutscht en duerch e Schaart,
Si no – du blouf se steechen:
Du laacht de Renert haart. De Schallek mécht eng Kéier,
Kënnt hannebäi erëm:
Do deet en ër nach Schmot un
A laacht aus heller Stëmm. A wéi en dat gestiicht hat,
Du mécht en sech an d’Schlënner,
Op d’Festonk no Malpaartes,
Bei d’Fra a bei d’Gesënner. Michel Rodange, Renert, aus dem III. Gesang
Michel Rodange, Renert, aus dem III. Gesang.
Der Renert als Skulptur aus der Erzählung von Michel Rodange

Legenden und Geschichten zum Vorlesen und Weitererzählen

Genau wie andere Burgen sind auch mit der Schuttburg viele Legenden, Sagen und Geschichten verbunden. Darunter sind witzige Anekdoten, echte Literatur, Historisches und Erfundenes wie zum Beispiel:

Von Gängen und Brunnen
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Auch bei der Schuttburg wird in den umliegenden Dörfern bis heute von geheimen Gängen und einem tiefen Brunnen gesprochen.

Ein Gang soll von der Burg aus hinauf zum Consthumer Friedhof, der zweite dagegen hinunter zum Fluss Klerf führen. Außerdem taucht immer wieder die Geschichte vom Schatz in einem geheimen Verlies auf. Schließlich soll der Brunnen 100 m tief sein, damit die Burg mit Grundwasser von der Klerf versorgt werden konnte.

Alle diese Geschichten dürften aber frei erfunden sein. Solch tiefe Brunnen konnte man im 12. und 13. Jh. noch gar nicht graben. Das bergmännische Können, um einen 100 m tiefen Brunnen zu bauen, entwickelte sich erst im 15. Jh., also am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit. Aber auch zu dieser Zeit dürfte der Herrschaft Schuttburg das Kapital für einen solchen Brunnen gefehlt haben. Das Gleiche gilt dann für die beiden Geheimgänge. Die Überreste des „Brunnens“ im älteren Teil der Schuttburg stammen also wohl eher von einer Zisterne.

Legenden weben sich um die Schüttburg
Kribsewé
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Die Legende vom Kribsewé geht zurück auf ein Ereignis im Jahr 1748. Anton Blom und Johann Cart aus Hoscheid hatten in der herrschaftlichen Fischerei gewildert. Sie waren vom Schlossherren erwischt worden, als sie in der Klerf Krebse fingen. Daraufhin wurden sie dazu verurteilt, den Weg von der Burg hinunter zum Kribsebaach zu bauen. Der Weg musste teilweise aus dem Felsen herausgehauen werden. Die beiden brauchten mehr als drei Monate, vom 16. September bis zum 21. Dezember. Alexander Joseph von Hoefnagle, der damalige „Herr von Schuttburg“ stellte ihnen neben Picke, Hammer und Brecheisen auch die übliche Kost. Außerdem zahlte er einen Taler für den Unterhalt ihrer Werkzeuge. Die Legende berichtet nun, dass die beiden ihn dafür verfluchten. Der Fluch lässt ihn bis heute keine Ruhe im Grab finden. Um Mitternacht trifft er sich mit dem „Wilden Grafen von Wilwerwiltz“ und dem „Grafen von Enscherange“ in der Turmkammer. Dort lässt ein Gespenst ein Trinkhorn mit siedendem Öl herumgehen, das ihnen bei jedem Schluck aufs Neue den Hals verbrennt. Dem „Herrn von Schuttburg“ kriechen außerdem Unmengen von Krebsen über den Rücken und zwicken ihn mit ihren Scheren. Der Weg heißt bis heute „Kribsewé“. An kalten Tagen soll man noch die Schweißtropfen der beiden Männer wie Perlen an den Felsen glitzern sehen. Alexander Joseph von Hoefnagle starb 1764 auf der Schuttburg. Er wurde in der alten Consthumer Kirche begraben. Heute steht sein Grabstein auf dem Consthumer Friedhof.

Der Kribsewé

Franz Binsfeld hat diese Legende literarisch umgesetzt:

Wann d’Hallefnuecht bruckt iwer d’Schibbrecher Schlass
da wéimert de Keizche mat raschtejer Strass;
de Fiisjen de billt bal biergop a biergof,
an d’Echelen huupsen a fanne ké Schlof.
Emglönnert ass d’Schlass mam zerbölzte Gesiicht,
an d’Kummer am Tuur ass mat Kärze beflicht.
Do sötzen drei Rötter beim knubblechen Dösch,
en Téinen an Dédechen haalt durch de Bösch.
Dé Wölle vu Wölwerwoltz birelt sech blo,
den Eischer, dé Schibbrecher kommen net no.

Nach drekt op dém ale Gemeier
de Fluch, dén de Jupp huet gedoon,
wé hie fir dem Barong sei Geier
huet missen de Kriipsewé schloon.

Et sötzen drei Rötter beim Wein mat der Kaart,
dat ass en Tornéiren do héich iwer d’Paart.
De Barong vu Schibbrech huckt do sou bleech,
ei, géif en dach spillen, e kriit jo de Streech!
Dach stuerkt en an zekt mat vergeeschtertem Blék,
sou grous wéi e Schof sétzt e Kiips him um Rék;
dé schléit him seng Geisslen ein d’Kopp, op de Baak,
an d’Zaangen zerbeissen den Hals an den Aak.
Eng Hellewull Kriipsen, e wabblechen Trapp
déi kommen nach hannen, do geet him den Dapp.

Sou klonkt un dém ale Gemeier
de Fluch, dén de Jupp huet gesprach;
well d’Kriipsen déi koumen hien deier:
de Jupp huet de Wé hei gebrach.

Daat ass nach de Fluch, dén de Jupp huet gedoon;
an d’Fielz huet e missen de Kriipsewé schloon.
De Jupp huet verbènzt gier gekriipst a geföscht,
du gouf e vum Barong beim Kriipsen erwöscht.
De Jupp musst de Kriipsewé briechen zur Strof,
de Fluch hölt dem Barong am Graaf nach de Schlof.
Verangscht ass sei Spillen, him klabbert d’Gebék,
him krabbelen d’Kriipsen sou kal op de Rék. –
Do trappt et durch d’Hecken, well d’Auer schléit Eng;
all Geeschter verschwannen an d’Luucht ass rem rèng.

Verdreemt op dém ale Gemeier
gin d’Stieren am fröndleche Bou,
de Bierch ass rem stöll a geheier,
d’Gedéisch könnt och nés zur Rou. –

(Franz Binsfeld)

Räuber als Mönche
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Als etwa zu Anfang des 16. Jh. die Ortschaften der Ardennen häufig durch umherstreifende Räuberbanden beunruhigt wurden, machte es sich der damalige Herr von Schieburg zur Aufgabe, mit aller Macht gegen dieselben loszuziehen. Wegen dieses Vorgehens beschlossen verschiedene Räuberanführer, Rache an genanntem Herrn zu nehmen.

Eines Abends kamen zwei Männer in Mönchskutten auf der im wildromantischen Ourthale gelegenen Burg Falkenstein an und begehrten dort zu übernachten. Der Burgherr, welcher für Geistliche und Ordensleute eine hohe Achtung hatte, nahm sie freundlich auf und ließ sie auf’s Beste bewirten.

Am anderen Tage erklärten die beiden angeblichen Mönche, dass sie nach der Schieburg zu reisen beabsichtigten, dass sie aber des Weges nicht recht kundig wären. Der Her von Falkenstein beorderte nun seinen Kammerdiener, ein Junge von etwa 16 bis 17 Jahren, ihnen zum Wegweiser zu dienen.

Dieser Junge war ein geborener Italiener, da er aber schon mehr als drei Jahre in des Falkensteiners Dienste war, so redete er die deutsche Sprache fließend. Unterwegs führten die beiden verkappten Mönche in italienischer Mundart ihr Gespräch, ohne weiter auf ihren Begleiter zu achten. Als sie nun so etwa drei Stunden zurückgelegt hatten, fragten sie ihren Wegweiser, wie weit es noch bis zur Schieburg sei. Nachdem dieser ihre Frage beantwortet und ihnen die Richtung des Weges angegeben, fragte ihn einer, ob er kein Italienisch verstehe. Der junge Bursche verneinte es. Wohlan, sprach der andere Mönch auf Italienisch: „Du bist glücklich, mein Junge, dass du kein Italienisch verstehst, andernfalls hätten wir dir das Heimkehren verleiden müssen.“ Sie entließen nun denselben, ihm auf’s freundlichste für seine Dienste dankend.

Kaum war der junge Führer zu seinem Herrn nach Falkenstein zurückgekehrt, als er ihm getreulich Bericht über die Unterhaltung der beiden Mönche erstattete. Durch diese Unterhaltung hatte er herausbekommen, dass jene vorgegebenen Mönche nichts mehr und nicht minder als zwei Räuber-Anführer waren, welche mit ihren Spießgesellen Rache an dem Herren von Schieburg zu nehmen beabsichtigten. Gemäß ihrem Vorhaben sollten sie sich vom Schieburger gastfreundlich aufnehmen lassen, ihren Spießgesellen, welche sich in den umliegenden Wäldern im Hinterhalt befanden, durch ein verabredetes Zeichen andeuten, dass alles bereit sei; in der Nacht denselben heimlich das Schlosstor öffnen, dann über die Bewohner während des Schlafes herfallen, sie alle niedermachen um dann das Schloss zu plündern.

Was war nun zu tun? Es war bereits Nacht und ehe ein Boote von Falkenstein Schieburg erreichen konnte, hätte das Unglück schon geschehen sein können. Des Falkensteiners Töchterchen wusste Rath. „Vater“, sprach sie, „du weißt, dass mir neulich meinen geliebte Freundin Adelheit von Schieburg eine Taube geschenkt; wenn wir dieser ein Warnungsbriefchen an den Hals hingen und sie fliegen ließen, ich wette, dass sie schnurstracks nach Schieburg zurückfliegen würde.“ Gesagt, getan! Dem Täubchen wurde ein Warnungsbrief an den Hals gehängt und man ließ sie fliegen.

Mittlerweile waren unsere sauberen Mönche auf Schieburg angekommen. Sie wurden dort liebreich aufgenommen und ließ ihnen der Schlossherr ein herzhaftes Abendmahl bereiten. Kurze Zeit nach dem Nachtessen klagten Beide über Müdigkeit und verlangten zu Bette zu gehen. Man willfahrte ihrem Wunsche.

Als nun der Schieburger mit seiner Tochter allein im Salon unter heiterem Gespräche saß, schwirrte auf einmal etwas am Fenster. Beide schauten erstaunt auf. „Wie“, sprach der Herr, „ist das nicht eine Taube?“ „Freilich“, sagte die Tochter, „und irre ich mich nicht, so ist es die Taube, die ich dem Falkensteiner Fräulein geschenkt; aber was hat sie am Halse?“ Das Fenster wurde geöffnet und man hatte gar keine Mühe, das zutrauliche Tierchen einzufangen und ihm seine Botschaft abzunehmen. Nach vorgenommener Durchlesung des Briefes sahen sich Vater und Tochter erschrocken an. „Soll es denn wirklich wahr sein?“, sprach der Vater, „dass in diesen angeblichen Mönchen Räuberanführer stecken!“ „Vater“, sprach die Tochter, „beim ersten Anblick beargwohnte ich diese Mönche; wir müssen auf unserer Hut sein.“ „Ja“, sprach der Vater, „jetzt da wir gewarnt sind, haben wir nichts mehr von ihnen zu fürchten, ich will Maßregeln treffen, vermittelt welchen ich der ganzen Bande habhaft werden kann.“

Der Herr weckte nun alle seine kampffähigen Leute in aller Stille, bewaffnete sie und bereitete sie auf den Angriff vor; dabei verhielt man sich so ruhig, als wenn nicht das Geringste im Schloss vorgefallen wäre.

Um Mitternacht verließen unsere Mönche heimlich ihr Schlafgemach, begaben sich nach dem Schlosshofe und öffneten geräuschlos die Tore, vor welchen schon ihre Spießgesellen harrten. Ruhig überschritten sie den Hof, um in’s Schloss einzudringen.

Auf einmal klappte das Tor mit großem Gepolter zu und wurde den Räubern ein donnerndes Halt zugerufen. Nun fielen die Leute des Schieburger’s mir aller Kraft über sie her. Ein heftiger Kampf entspann sich, aus welchem nach Verlauf einer halben Stunde die Burgleute als Sieger hervorgingen. Bis an die dreißig Räuber waren tot und wurde der überlebende kleinere Rest gefangen genommen und den Gerichten übermittelt. Aber auch einige der Burgleute waren getötet worden, andere schwer oder leicht verwundet.

(Aus der Ardenner Zeitung, 1891; abgedruckt in Biller aus der Gemeng Kautebach, 2001)

Lage und Geschichte der Schüttburg

Burgen, Schlösser und Festungsruinen sind wichtige Sehenswürdigkeiten im Großherzogtums Luxemburg. Sie dienten in erster Linie der militärischen Verteidigung. Oft sind diese Anlagen auf Felsvorsprüngen errichtet und ragen hoch über die gewundenen Täler hinaus. So liegt auch die in Privatbesitz befindliche Schüttburg auf einem schmalen Felsrücken und blickt über das Tal der Klerf. Je nach Sprache wird die Schüttburg unterschiedlich benannt: Schëttbuerg, Schibreg, Schibbreg (luxemburgisch), Schuttbourg (französisch), Schüttburg, Schieburg und bis 1406 Schudeburg (Deutsch).

Die Schüttburg blickt auf das Tal der Klerf

Lage
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Die Schüttburg ist sicherlich nicht die bekannteste Burg in Luxemburg, möglicherweise aber die versteckteste. Sie liegt abseits der heutigen Autostraßen. Wenn man mit dem Auto von Consthum oder von Alscheid nach Kautenbach fährt, erhascht man immer nur einen kurzen Blick aus der Ferne. Nur die Eisenbahnlinie verläuft unmittelbar unter der Burg durch das Tal der Kerf. Wenn man im Zug sitzt, taucht sie nach einer Tunnelausfahrt unvermittelt auf und verschwindet genauso schnell wieder.

Für diese versteckte Lage gibt es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten:

  • Zunächst einmal kann man davon ausgehen, dass die Burg von Anfang an in einem abgelegenen Winkel zwischen den anderen Burgen und Herrschaften lag.
  • Möglich ist aber auch, dass sie ursprünglich an einer Straße lag, die früher eine größere Bedeutung hatte. So lag an der Schuttburger Mühle bereits in römischer Zeit der Verbindungsweg zwischen Vianden und Wiltz, der die Klerf überquerte. Die Burg könnte die Aufgabe gehabt haben, diesen Übergang zu sichern und zu kontrollieren.

Die Schüttburg liegt 385 m hoch auf einem sehr schmalen, felsigen und nach drei Seiten steil abfallenden Schiefervorsprung, einem so genannten Sporn, zwischen der Klerf im Westen und dem Krepbach im Osten. Diese Spornlage findet man auch bei anderen Burgen im Ösling. Der Zugang zu diesem Sporn erfolgt aus Nordwesten. Er ließ sich leicht durch einen Halsgraben mit Zugbrücke, einen bzw. zwei starke Türme und einen zweiten, inneren Eingang absichern. Auf den übrigen Seiten boten die steilen Hänge einen natürlichen Schutz. Zusätzlich wurden diese Hänge durch Mauern entsprechend abgesichert.

Die Spornlage der Burg
Entstehung
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Aussicht auf die Schüttburg durch F. Clément und N. Liez (Nicolas Liez, Public domain, via Wikimedia Commons)

Über die Schüttburg gibt es nur sehr wenige belegte Informationen. Belegt ist, dass der Name „Schuttburg“ erstmals 1404 und 1406 in Urkunden auftaucht. Johann von Fischbach wird hier als „Herr von Schudeburg“ bezeichnet. Vermutet wird, dass die Herrschaft und die Burg Schüttburg im Rahmen der hochmittelalterlichen Binnenkolonisation irgendwann zwischen 1000 und 1400 entstanden sind. Damals wurden Waldgebiete mit Hilfe von Klöstern oder Adeligen gezielt besiedelt. Den Kern bildete ein Kloster oder eben eine Burg. Auslöser dieser Kolonisation war eine stark gestiegene Bevölkerung, gleichzeitig konnten aber auch durch Verbesserungen in der Landwirtschaft Flächen genutzt werden, die bis dahin als ungeeignet angesehen wurden. Für diese Annahme spricht zudem der Name „Alscheid“. Die Endung „–scheid“ ist typisch für Ortsgründungen aus dieser Zeit. Allerdings weist der Name „Consthum“ mit der Endung „-hum“ (= heim) eher in die Zeit der fränkischen Landnahme (3. bis 6. Jh.). Möglich wäre, dass Consthum zunächst die ökonomische Basis für die Herrschaft Schuttburg darstellte und Alscheid im Zusammenhang mit der Gründung dieser Herrschaft neu entstanden ist.

Baugeschichte
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Die Schüttburg befindet sich auf 385 m auf einem Schiefervorsprung etwa 60 m über dem Tal der Klerf. Der Eingang führt über einen 10 Meter breiten Graben zu einem Metall beschlagenen Tor. Die Burganlage ist langgestreckt etwa 20 x 90 Meter.

Modell der gesamte Burganlage der Schüttburg

Deutlich sichtbar ist, dass die Burg aus zwei Teilen besteht:

Nordwestteil mit dem heutigen Burgtor, einer Art Zwinger oder Vorburg, dem Bergfried und dem großen Wohngebäude.

Der Nordwestteil der Schüttburg

Südostteil mit einem weiteren Tor und dem Kapellenturm einem kleineren Wohngebäude („neues Schloss“) und den Resten der Wirtschaftsgebäude

Der Südostteil der Schüttburg

Reste eines Wehrganges (Bögen und Tragpfeiler) an der Innenseite der Nordwest-Mauer im Südostteil der Burg deuten darauf hin, dass dieser Teil der Burg zuerst entstanden ist. Ein solcher Wehrgang müsste zu einer Burgmauer gehört haben, die von dort aus verteidigt werden sollte. So kann angenommen werden, dass zuerst eine Burgmauer mit dem Wehrgang vorhanden war, und dass das große Wohngebäude erst später davor errichtet wurde. Damit verlor diese Mauer mit ihrem Wehrgang ihre Funktion.

Die Wohngebäude der Schüttburg

Die Baugeschichte der Schüttburg könnte folgende Teilabschnitte vollzogen haben:

  • Die erste Schuttburg (Südost-Teil)
  • Verstärkung der Nordwest-Mauer mit Tor und Kapellenturm
  • große Erweiterung im 14. oder 15. Jh. (Nordwest-Teil)
  • Das „neue Schloß“ im 16. Jh.
  • Das 19. Jh.: Teilabriss und Brand
  • Das 20. Jh.: Wiederaufbau
Herrschaft
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Die Schuttburg war spätestens seit Anfang des 15. Jahrhunderts eine eigenständige Herrschaft, es entwickelte sich aber nie eine „echte“ Dynastie. Die Herrschaft blieb nie länger als drei Generationen in einer Familie. Oft wurde sie an jüngere Söhne oder Töchter vererbt, manchmal auch einfach verkauft. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Herrschaft Schuttburg relativ klein war. Sie lag eingezwängt zwischen den großen Nachbarn in Clervaux, Wiltz und Brandenburg.

Grabstein auf dem Consthumer Friedhof zum Gedenken an Alexander Joseph von Hoefnagle

Der folgende Überblick über die Geschichte der Herrschaft basiert auf Arbeiten von Peter Keiser und Paul Lamort (siehe Literatur). Die Jahreszahlen zu den einzelnen Damen und Herren von Schuttburg beziehen sich dabei auf Anfang und Ende ihrer Herrschaft.

  • Die erste bekannte urkundliche Erwähnung des Namens Schuttburg stammt aus dem Jahr 1404. Damals stand die Burg unter der Lehensherrschaft der Herren von Rodemacher. Erster bekannter Herr von Schuttburg ist Johann von Fischbach (1404 – 1439). Sein Sohn Johann II. verpfändete 1461 die Herrschaft an Friedrich II. von Brandenburg, Herr von Clerf. Daneben tritt er später alle Ansprüche auf die Herrschaft an seinen Lehensherren Gerhart von Rodemacher ab.
  • 1467 tritt Gerhart die Schuttburg an Friedrich (1461 – 1471) ab. Nach Friedrichs Tod kommt Schuttburg an seine Kinder, zuerst an Wilhelm (1471 – 1481), dann an Godart und die jüngere Katharina und schließlich an die ältere Katharina und deren Ehemann Hartard von Wiltz. Die Ehe blieb kinderlos. Nach dem Tod von Katharina 1537/38 kam es zu Erbstreitigkeiten. Christoph von Schauenburg beanspruchte schließlich als nächster Verwandter sein Vorkaufsrecht. Er einigte sich dann mit seinem Bruder Bernhard.
  • Bernhard von Schauenburg wurde der neue Herr von Schuttburg (gestorben 1576). Da auch er keine Kinder hatte, ging die Herrschaft an Hans von Kerpen (1576 – 1601), den Ehemann seiner Nichte Anne. Deren Tochter Ursula heiratete Wolf Friedrich von Dalberg. Ihre beiden Söhne führten später den Titel „Herren von Schuttburg“.
  • Sie verkauften die Herrschaft 1629 an Claude von Humyn (gestorben 1639). Auf ihn folgte sein ältester Sohn Peter Ernest de Humyn (1639 – 1679). Allerdings verwaltete seine Mutter bis 1659 die Herrschaft Schuttburg. Es war Kriegszeit mit durchziehenden Truppen, Einquartierungen, Plünderungen, Krankheiten und Missernten. Peter Ernest de Humyn war Domherr in Dornik und hatte daher keine eigenen Kinder. Die Herrschaft kam deshalb an seinen Neffen Claude François. Daneben führte auch ein weiterer Neffe, Claude Charles de Halley, in den Jahren 1687/88 den Titel „Herr von Schuttburg“. Anna Caroline, die Schwester von Claude Francois heiratete 1692 Philipp Dominik von Uhlenbrouck.
  • Sie ließen sich auf der Schuttburg nieder und nannten sich „Herr und Dame von Schuttburg“. Bereits bei der Familie Uhlenbrouck ist nicht mehr klar, ob es sich tatsächlich um eine adlige Familie handelte. Philipp Dominik versuchte daher immer wieder, seinen Adel zu beweisen. Ihre einzige Tochter heiratete 1714 Alexander Joseph de Hoefnagle.
  • Alexander Josep de Hoefnagle führte ab 1722 die Herrschaft Schuttburg. Er versuchte, aus dem Besitz Geld zu schlagen. Außerdem führte er eine Unzahl von Prozessen und war gleichzeitig von der Obzession getrieben, zu beweisen, dass seine Familie wirklich adelig war. Auch sein Sohn Augustin Karl Joseph de Hoefnagele (1764 – 1792) bemühte sich, als echter Adeliger anerkannt und in den luxemburgischen Adel aufgenommen zu werden. Der letzte Herr von Schuttburg war dann sein Sohn Augustin Alexander Franz Joseph de Hoefnagle (1792 – 1819). Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen kam das Ende des Feudalsystems. Sie waren zwar immer noch Besitzer der Burg und der direkt dazu gehörigen Ländereien, aber keine Herren mehr. Damit verloren sie den größten Teil ihrer Einkünfte und versuchten unter anderem, die Burg teilweise einzureißen und das Material zu verkaufen. Dies betraf das oberste Stockwerk des großen Wohngebäudes
  • Die Witwe von Augustin Alexander Franz Joseph de Hoefnagle, (gestorben 1823) vermachte die Burg ihrer Cousine Theresia Josephine Leopoldine, die 1821 den Notar Johann Baptist Pondrom aus Hosingen geheiratet hatte. André Pondrom, der älteste Sohn, erhielt 1854 die Burg. 1859 schlug dann der Blitz in das Hauptgebäude ein. Das Dach brannte ab und wurde nicht mehr erneuert. Dieser Teil der Burg verfiel zusehends. André Pondrom blieb ledig und starb 1894.
  • Seine Schwester Marie Barbe (Betsie) heiratete Jules Lamort aus Luxemburg. Der Sohn Paul Lamort (1858 – 1916) war Friedensrichter in Wiltz. Seine Mutter überschrieb ihm 1894 die Burg. Seine Erben, Jules Lamort sowie Marguerite Clarens-Lamort und ihr Eheman J. P. Clarens, verkauften die Burg 1930 an Eugen Welter. Er baute aber nur die Mühle um, die Burg versteigerte er 1933. Der Käufer, Franz Würth, verkaufte sie dann 1935 am Mme Jadoule. Sie und ihr Mann bauten v. a. das Hauptgebäude wieder in der ursprünglichen Höhe auf.
  • Seit dem Jahr 2009 ist die Schuttburg im Privatbesitz von Herrn Fernand Feltgen aus Differdingen. Die Burg kann nicht besichtigt werden.

Weiterführende Informationen und Links

Literatur

Werner Schnelle (2012): Mühlenbau – Wasserräder und Windmühlen bewahren und erhalten, Berlin, Wien, Zurich: Beuth Verlag.

Philipp Oppermann, Torsten Rüdinger (2012): Kleine Mühlenkunde, Potzdam/Berlin: Verlag Terra Press.

Wolfgang Kuhlmann (2012): Wasser, Wind und Muskelkraft, Petershagen-Frille: Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e.V.

Eugen Ernst (2005): Mühlen im Wandel der Zeit, Verlag Theiss

https://www.deutsche-muehlen.de

Rackésmillen – die letzte ihrer Art

Die älteste Wassermühle in Enscheringen stammt aus dem Jahr 1334 und ist damit die älteste noch bestehende Wassermühle in ganz Luxemburg. Bis 1954 mahlte die Rackésmillen Korn, das zur Brotherstellung diente. Das heutige Gebäude wurde 1824 errichtet. Die Rackésmillen ist bis heute voll funktionsfähig. Ein kleiner Wasserlauf treibt unverändert seit dem Jahre 1824 das knarrende Mahlwerk der Rackésmillen.

Die Rackésmillen ist bis heute funktionsfähig. © P. Haas
Geschichte der Mühle
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Die Rackésmillen war seit 1919 im Besitz der Familie Racké. Der letzte Müller, Herr Willy Racké, stellte kurz nach dem Tod seines Vaters 1968 den Kundenbetrieb ein. Die Familie verkaufte die Mühle nicht, sondern betrieb sie als Hobby. So hielt Willy Racké die Mühle weiterhin funktionsfähig und führte sie Freunden und Besuchern vor. Als er sich schließlich aus Altersgründen ernsthafte Gedanken über einen Verkauf machen musste, fand sich 2001 mit dem Naturerlebniszentrum „Robbesscheier“ ein Käufer, der bereits seit längerem an einer funktionstüchtigen Mühle zur Abrundung seines Programmangebotes für Touristen und Schulklassen interessiert war. Die Mühle ist weiterhin in Betrieb und kann besichtigt werden. Das Gebäude wurde renoviert, die Anlagen restauriert und erweitert.

Mühlentechnik
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In der Rackésmillen ist die Anlage von 1902 bzw. 1934 sowie der alte Mahlgang bis heute funktionstüchtig erhalten. Dazu gehören

  • das unterschlächtige Wasserrad,
  • die Transmissionen,
  • der Walzenstuhl,
  • der Elevator,
  • der Plansichter,
  • der Sackaufzug und
  • der alte Mahlgang.

Da sich die Technik beim Mahlgang seit der frühen Neuzeit nahezu gleich geblieben ist und sich auch am Prinzip der Walzenstühle wenig verändert hat, bietet diese Mühle einen Einblick in die Mühlentechnik der letzten 400 Jahre.

Das Wasserrad
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Die Rackésmillen wurde aufgrund des geringeren Gefälles wahrscheinlich schon immer von einem unterschlächtigen Wasserrad angetrieben. Das heutige Mühlrad besteht aus einem Grundgerüst aus Stahl, auf das Schaufeln aus Holz montiert sind. Um einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen, weisen sie einen Knick auf.

Unterschlächtiges Wasserrad in der Rackésmillen (http://www.our-explorer.lu/cms/images/big/00024.jpg)
Der Mahlgang
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Ein Mahlgang besteht aus zwei Mühlsteinen, die übereinander liegen. Der untere Stein („Bodenstein“, D) liegt fest, während sich der obere Stein („Läufer“, C) dreht. Beide Steine sind mit einer Holzverkleidung („Holzhütte“) verkleidet. Der Läufer wird vom Wasserrad über den Wellbaum (F), Treibstockräder (G und H) oder eine Transmission sowie das Mühleisen (E) angetrieben. Da die beiden Steine sich nicht direkt berühren und in den Läufer sogenannte Steinschärfen eingehauen sind, wird das Mahlgut zerschnitten und zerrieben. Das Mehl fällt seitlich aus dem Spalt zwischen den beiden Steinen heraus. Es gelangt über eine Mehlrutsche und verschiedene, grobe Siebe zu den Absackstutzen.

Mahlgang einer Mühle. Bodenstein=D, Läufer=C, Wellbaum=F, Treibstockräder=G,H, Mühleisen=E
Der Walzenstuhl
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Kern des Walzenstuhls sind zwei Walzen (A und B), die sich gegenläufig und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit drehen. Zwischen ihnen wird das Mahlgut gemahlen. Die kleinere Walze oben („Speisewalze“, c) sorgt für eine gleichmäßige Verteilung des Mahlgutes. Da der Walzenstuhl im 1. Stock aufgestellt ist und das Mahlgut von oben her zugeführt wird, war auch in der Rackésmillen ein Sackaufzug erforderlich, um das angelieferte Getreide nach oben und die fertigen Produkte wieder nach unten zu befördern. Äußerlich sichtbar ist das an dem kleinen Erker über der Eingangstür.

Walzenstuhl. Walzen=A, B; Speisewalze=C
Der Elevator
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Ein Elevator ist im Prinzip nichts anderes als ein Aufzug für das Mahlgut, das unten aus dem Walzenstuhl herauskommt und zum Sieben und für einen weiteren Mahlgang wieder nach oben befördert werden muss. Kern eines Elevators ist ein Endlosgurt, an dem Becher montiert sind. Sie nehmen das Mahlgut unten auf, befördern es nach oben und werfen es dort aus. Dieser Gurt ist von einem geschlossenen Gehäuse (Elevatorschacht) umgeben. Auch der Elevator der alten Anlage wird in der Rackésmillen über eine Transmission vom Wasserrad angetrieben.

Der Plansichter
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In der Rackésmillen hängt der Plansichter ganz oben unter dem Dach. Dabei handelt es sich um eine Art großen Kasten, der an Bambusstangen flexibel aufgehängt ist und über eine Transmission sowie einen Exenter in Schwingungen versetzt wird. Innen sind übereinander Siebe mit immer kleinerer Maschenweite montiert, über die sich kleine Bürsten bewegen, damit sie sich nicht zusetzen. So kann das Mahlgut, das im Walzenstuhl gemahlen und mit dem Elevator nach oben befördert wurde in seine verschieden großen Bestandteile getrennt werden. Die Schalenbestandteile und der Schrot werden aussortiert, die gröberen Mehlqualitäten und der Grieß können für einen weiteren Durchgang wieder dem Walzenstuhl zugeführt werden.

Der Sackaufzug
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Da der Walzenstuhl im 1. Stock aufgestellt ist und das Mahlgut von oben her zugeführt wird, war auch in der Rackésmillen ein Sackaufzug erforderlich, um das angelieferte Getreide nach oben und die fertigen Produkte wieder nach unten zu befördern. Äußerlich sichtbar ist der Sackaufzug an dem kleinen Erker hoch über der Eingangstür.

Sackaufzug am Erker in der Rackésmillen.